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Smart Data fÜR BESSERE ENTSCHEIDUNGEN Wie die Digitalisierung die Produktionstechnik verändert 

Die Digitalisierung ist nicht nur im Privatleben auf dem Vormarsch, sondern auch in der industriellen Fertigung. Oft fällt es Unternehmen jedoch schwer, im Begriffs-Wirrwarr zwischen Industrie 4.0, Big Data und Internet der Dinge den praktischen Nutzen zu erkennen. Professor Christian Brecher, Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und Sprecher des Exzellenzclusters Produktionstechnik, setzt sich intensiv mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Produktion auseinander. „Perfect Welding – Das Magazin.“ hat ihn zum Interview gebeten, um Klarheit in dieses Thema zu bringen.

Wenn es um Digitalisierung geht, werden viele Begriffe diskutiert – unter anderem Industrie 4.0. Was ist Ihre Definition?

Digitalisierung meint ursprünglich das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate. Der Begriff beschreibt aber auch, dass Informationstechnologie in unserem alltäglichen Leben immer wichtiger wird. Mit Industrie 4.0 ist spezifisch die Digitalisierung der industriellen Produktion gemeint. Dabei steht im Mittelpunkt, durch das Nutzen von Daten einen Mehrwert zu erzielen.

 

Es geht also um Daten. Welche Rolle spielt Big Data?

Mit Big Data sind Datenmengen gemeint, die zu groß oder zu komplex für herkömmliche Verarbeitungsmethoden sind. In Produktionsprozessen etwa sind Daten schnelllebig, es fehlt oft eine Strukturierung, und Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge sind vielschichtig. Das reine Sammeln von Daten ist nicht zielführend. Daher brauchen wir Algorithmen, die Daten gezielt strukturieren und auf das richtige Maß herunterbrechen. Statt Big Data benötigen wir Smart Data, damit Unternehmen daraus einen Mehrwert schaffen können.

 

Wie viel von der industriellen Digitalisierung ist tatsächlich schon in der Praxis angekommen?

Im produzierenden Umfeld sind viele Themen bereits Realität, etwa Datenerfassung, Prozessautomation, digitale Kommunikation, aber auch die Nutzung von Cloud-Lösungen und künstlicher Intelligenz. Ob oder wie sehr Unternehmen solche Technologien einsetzen, ist von ihrer Branche, Größe und auch Strategie abhängig. Bisher kommen oft nur isolierte Lösungen für einzelne Anwendungsfälle zum Einsatz.

 

Was werden die nächsten Schritte in der digitalisierten Produktionstechnik sein?

Zunächst muss ein digitales Abbild der Produktion geschaffen werden. Dafür muss neue Software Daten aufbereiten, die bereits bei der Produktion anfallen. Das bildet die Basis für systematisches Lernen: standortunabhängig, branchenübergreifend und über verschiedene Disziplinen hinweg. Wenn das daraus resultierende Wissen breit zur Verfügung gestellt wird, profitieren alle von einer neuen Qualität von Entscheidungsunterstützung - Wir bekommen ein immer besseres Abbild der Realität und können dadurch schneller bessere Entscheidungen treffen.

 

Das klingt vielversprechend. Trotzdem zögern viele Firmen, Geld für eine vernetzte Produktion in die Hand zu nehmen. Welche Chancen sehen Sie für Unternehmen, die in digitale Lösungen investieren?

Firmen, die in ihre Vernetzung und Digitalisierung investieren, können ihren Betrieb optimieren. Ob dadurch die Investitionskosten wieder eingefahren werden können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Doch es ergeben sich noch weitere Chancen: Langfristig kann eine digitalisierte Produktion vollkommen neue Geschäftsmodelle eröffnen. Dafür ist es vor allem wichtig, dass Firmen ihren „Datenschatz“ als solchen erkennen und nutzen.

 

Welchen weiteren Herausforderungen stehen Firmen gegenüber, die digitale Lösungen einsetzen wollen?

Wie bei allen Veränderungsprozessen ist es wichtig, dass Mitarbeiter, aber auch Kunden und Zulieferer die Neuerung akzeptieren. Das funktioniert am besten, wenn alle den Mehrwert erkennen, den die Lösung bietet.

 

Sie sprechen die Akzeptanz an. Hier spielt auch die gesamtgesellschaftliche Stimmung eine wichtige Rolle. Die Auswirkungen der Digitalisierung werden immer wieder kontrovers diskutiert ja. Wie sehen Sie dieses Thema?

Wie bei allen technischen Neuerungen gibt es auch bei der Digitalisierung Risiken und Chancen. Die tatsächlichen Auswirkungen werden wir erst in den nächsten Jahren bewerten können. Darum ist ein bewusster und mündiger Umgang mit dieser gesellschaftlichen Veränderung unbedingt notwendig. Viele haben die Sorge, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Ich denke, dass insbesondere repetitive Arbeitsprozesse teilweise durch automatisierte, datengetriebene Lösungen ersetzt werden. Veränderungen wird es aber in allen Bereichen geben. Daher ist es wichtig, dass wir uns mit der zielgerichteten Ausbildung von Mitarbeitern auseinandersetzen. Als Ingenieur und Forscher blicke ich der digitalen Zukunft, insbesondere in der Produktionstechnik, sehr positiv entgegen. Wir müssen die Chancen einfach gut nutzen.

"Wenn das daraus resultierende Wissen breit zur Verfügung gestellt wird, profitieren alle von einer neuen Qualität von Entscheidungsunterstützung."  CHRISTIAN BRECHER über die Vision einer kollektiven Nutzung bestehender Produktionsdaten 

 

ZUR PERSON: Christian Brecher studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau mit Schwerpunkt Fertigungstechnik. Während seiner Promotion war Brecher wissenschaftlicher Berater bei Airbus (damals EADS Deutschland). 2001 übernahm er die Leitung des Bereichs Entwicklung bei Dörries Scharmann Technologie, einem deutschen Werkzeugmaschinenhersteller. 2004 wechselte Brecher an die RWTH Aachen und wurde Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors sowie Mitglied des Frauenhofer-Instituts für Produktionstechnologie.

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