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„Digitalisierung kann ein Hebel für mehr Menschlichkeit sein“ Michael Mondria von Ars Electronica Solutions im Interview

Fronius präsentierte sich auf der Weltleitmesse SCHWEISSEN & SCHNEIDEN 2017 in Düsseldorf mit einem Standkonzept der Ars Electronica Solutions. Michael Mondria, Leiter der Ars Electronica Solutions in Linz, Österreich, blickt neben der gestalterischen Komponente auf die Vorteile und Gefahren der Digitalisierung – sowohl im industriellen als auch im gesellschaftlichen Umfeld.

Herr Mondria, Sie haben 2017 den SCHWEISSEN & SCHNEIDEN-Messestand für Fronius entworfen. Welchen Herausforderungen standen Sie gegenüber?

Die Herausforderung ist immer, die Kernbotschaften, Unternehmensziele und Visionen so zu transformieren, dass die Messebesucher diese auf unterschiedlichen Ebenen wahrnehmen können. Das heißt, beginnend bei der Architektur müssen wir den Stand so gestalten, dass er Teil der Botschaft wird. Es soll ein gesamtheitlicher, bleibender Eindruck entstehen.

Was hat Sie bei Fronius inspiriert?

Das war die Vision des Unternehmens und die Botschaft „Let's get connected“. Die verstehe ich schon auch technologisch, aber vor allem im Sinne des Menschen. Diese Botschaft war der Ausgangspunkt. Das Kernelement, der Lichtbogen, spiegelt symbolisch die Verbindung verschiedener Materialien wieder – diese Kernmetapher war für mich die eigentliche Inspiration.

Die digitale Kommunikation war ein zentrales Thema auf dem Messestand. Wohin werden uns moderne Medientechnologien führen?

Derzeit wirklich spannend ist „Augmented Reality“, beziehungsweise eher Mixed Reality, denn es geht um die Zusammenführung der wirklichen und der digital erzeugten Welt. In fünf Jahren werden wir Infrastrukturen zur Verfügung haben, die die Grenzen zwischen realem und virtuellem Leben verschwinden lassen. Ein Prototyp in diesem Zusammenhang ist das „Head-Mounted Display Magic Leap One“. Zukunftsweisend sind auch Entwicklungen im Bereich des Brain-Computer-Interface (BCI). Zum einen wird diese Technologie genutzt, um über das Gehirn direkt mit Geräten zu interagieren. Hier ist die Medizintechnik schon sehr weit und kann beispielsweise bereits Nervenimpulse von Komapatienten überbrücken und ihnen so ermöglichen wieder zu kommunizieren. Zum anderen betrifft BCI auch die Interpretation von Gehirnaktivitäten und die Stimulation des Gehirns. Diese Bereiche sind äußerst spannend, werfen aber auch viele moralische Fragen auf.

Glauben Sie, dass mit diesen neuen Technologien das Ausstellen von Produkten auf Messeständen einmal überflüssig sein wird?

Nein, das glaube ich nicht. Es besteht allerdings die Gefahr, dass man den physischen Bezug in einer digitalen Welt verliert. Deswegen sollten reale, physische Produkte nicht einfach weggelassen werden. Obwohl sich dieses Selbstverständnis mit der nun heranwachsenden Generation verändert, führt für mich derzeit kein Weg daran vorbei, Produkte angreifen zu können, zu sehen, zu spüren, damit etwas zu machen. Das zu verlieren wäre eigentlich sehr bedenklich.

Besteht mit zunehmendem Digitalisierungsgrad nicht die Gefahr, dass der Mensch bald nur noch Objekt ist?

Ich glaube, das ist eine absolut ernstzunehmende Frage. 30 bis 40 Prozent der momentanen Arbeitsverhältnisse wird es so in zehn bis zwanzig Jahren nicht mehr geben. Jetzt geht es darum, den Wendepunkt zu erkennen und zu reagieren. Wir müssen darüber nachdenken, wie man die nächsten 30 bis 50 Jahre etwas Sinnvolles für uns Menschen aus der Digitalisierung generieren kann. Es ist Fakt, dass ein Mensch Satellitenbilder, die in einer unglaublichen zeitlichen Abfolge zur Verfügung gestellt werden, nicht in einer Zeit verarbeiten kann, wie das eine Maschine kann. Aber der Mensch kann etwas Neues erschaffen. Jetzt gilt es „lediglich“, diese Voraussetzung so zu nutzen, dass sie für uns Menschen dienlich ist.

Inwiefern?

Wir haben die technologischen Voraussetzungen geschaffen, dass Maschinen produzieren und analysierende Arbeiten übernehmen. Jetzt können wir Menschen uns darauf konzentrieren, unsere Welt und das Miteinander zu gestalten. Es gibt so viele Themen: Plastik im Ozean, Klimawandel, soziale Gerechtigkeit … Erstmalig in der Menschheitsgeschichte sind wir in der Lage, genügend Nahrungsmittel zu produzieren, um die gesamte Weltbevölkerung zu versorgen. Trotzdem sterben noch viele Menschen an Hunger. Warum ist das so? Da gibt es noch eine Diskrepanz. Wir müssen die Ressourcen, die wir haben – unsere Gehirne – nutzen um diese Probleme zu lösen.

Es klingt, als sähen Sie die Digitalisierung als Hebel für mehr Menschlichkeit?

Ich glaube, ja. In die richtigen Bahnen gelenkt kann die Menschheit von diesen Technologien wirklich profitieren – und zwar im Sinne des Miteinanders.

Wird das auch global und kulturübergreifend funktionieren?

Man kann die Modelle, die sich bei uns entwickelt haben, nicht eins zu eins übertragen. Das würde die Welt nicht vertragen. Umso mehr braucht es das Nachdenken darüber, wie wir die kulturellen Abhängigkeiten überwinden. Dazu benötigt es Zeit. Und da würde die Digitalisierung eine Basis und Möglichkeit schaffen. Aber diesen Prozess kann nur die Gesellschaft vorantreiben.

MICHAEL MONDRIA

Der geborene Wiener absolvierte an der Johannes Kepler Universität Linz ein Studium der Informatik und arbeitete zunächst 15 Jahre als Software Engineer und Vice President Professional Services beim multinationalen Softwareunternehmen Fabasoft AG.

Danach wechselte er zur Ars Electronica. Nach fünf Jahren als Leiter des Business Developments im Futurelab, gründete er das Softwareunternehmen Memetics GmbH in Berlin. Nach zwei Jahren als Managing Director wechselte er wieder zur Ars Electronica, wo er seither als Senior Director die Division Ars Electronica Solutions leitet.

Neben seinem Beruf engagiert er sich für soziale Projekte: In Nepal ist er beispielsweise mit seiner privaten Organisation „Pagura Idea“ am Wiederaufbau von durch das Erdbeben 2015 zerstörten Dörfern beteiligt.

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